Die Frage, ob die aktuellen Regelungen zur Erbschafts- und Schenkungssteuer für Betriebs- und Privatvermögen verfassungswidrig sind, ist in der Rechtswelt umstritten. Die Bundesrechtsanwaltskammer unterstützt nun einen Erben, der diese Frage gerichtlich klären lassen möchte und beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Verfassungsbeschwerde eingereicht hat. Hier ist der Hintergrund:
Vorgeschichte Bereits im Jahr 2014 urteilte das BVerfG in einer viel beachteten Entscheidung, dass Betriebsvermögen im Vergleich zum Privatvermögen nach den damaligen Regelungen der Erbschafts- und Schenkungssteuer übermäßig begünstigt war. Als Konsequenz erklärte das Gericht sowohl die Besteuerung von Betriebsvermögen als auch von Privatvermögen für verfassungswidrig und forderte den Gesetzgeber auf, innerhalb einer bestimmten Frist verfassungskonforme Regelungen zu schaffen.
Ob die im Jahr 2016 vom Gesetzgeber vorgenommene Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer den Verfassungsverstoß tatsächlich behoben hat, soll nun in einem aktuellen Verfahren geklärt werden.
Bisheriger Verlauf des Verfahrens Der Kläger erbte im Jahr 2018 Privatvermögen und wandte sich gegen die Besteuerung im Rahmen der Erbschaftsteuer an das Finanzgericht Münster. Das Gericht wies die Klage jedoch ab. Die Richter hatten keinerlei Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung und hielten die Frage der Besteuerung von Privatvermögen für irrelevant. Zudem wurde die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH), der nächsthöheren Instanz, nicht zugelassen.
Das Erbe legte daraufhin beim BFH eine sogenannte „Nichtzulassungsbeschwerde“ fest. Er war der Meinung, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung auch für das Privatvermögen von Bedeutung sei und daher die Revision zugelassen werden sollte. Doch auch der BFH sah keinen Grund für ein Revisionsverfahren. Da er sich bereits in einem anderen Verfahren mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer beschäftigt hatte, betrachtete er die Angelegenheit als bereits geklärt.
Worüber muss das BVerfG entscheiden? Gegen diesen Beschluss des BFH hat der Erbe nun wie bereits erwähnte Verfassungsbeschwerde beim BVerfG eingereicht. Nun liegt es am Gericht zu entscheiden, ob ein Revisionsverfahren vor dem BFH in diesem Fall zulässig ist. Insbesondere wird darüber entschieden, ob der BFH sich tatsächlich ausreichend mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung in dem anderen Verfahren auseinandergesetzt hat.
In seiner Stellungnahme verneint die Bundesrechtsanwaltskammer nun diese Frage und unterstützt somit die Argumente des Erben. Nach Ansicht der Kammer verletzte die Entscheidung des BFH das Recht des Klägers auf einen wirksamen Rechtsschutz. Daher sollte die Revision zugelassen werden, und der BFH muss sich erneut mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der reformierten Besteuerungsregeln befassen.
Fazit Die Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer gibt Anlass zur Hoffnung. Sollte das BVerfG positiv für den Erben entscheiden, müsste der BFH sich erneut intensiv mit der aufgeworfenen Frage der Verfassungswidrigkeit auseinandersetzen. Bis zur Klärung dieser Fragen können Erbschafts- und Schenkungssteuerbescheide durch Einlegung eines Einspruchs offen gehalten werden.